Als heute vor 60 Jahren der Zentralrat der Juden in Deutschland in Frankfurt am Main gegründet wurde, hätte es wohl niemand für möglich gehalten, dass hierzulande nach dem Holocaust noch einmal jüdisches Leben gedeihen würde.
Der Zentralrat war somit zunächst als provisorische Interessenvertretung gedacht, um den Mitgliedern der wenigen übrig gebliebenen jüdischen Gemeinden bis zum Verlassen des Landes die Existenz und Teilhabe an Wiedergutmachungszahlungen zu sichern.
Einen überdimensionalen Einfluss auf die deutsche Politik, wie ihn ein antisemitisch grundiertes Klischee dem Zentralrat unterstellt, hat dieses "Wächteramt" jedoch nie beinhaltet. Es war vielmehr Ausdruck bleibender Unsicherheit, ob der demokratische Boden, in dem jüdisches Dasein in Deutschland neue Wurzeln schlug, tatsächlich tragfähig sei. Die Furcht, vom Wohlwollen deutscher Entscheidungsträger abhängig zu sein, zog auch ein strukturelles Problem im Zentralrat nach sich: mangelnde Transparenz.
Das Judentum hat in Deutschland eine gute Zukunft. Die deutsche Demokratie hat sich als zuverlässig erwiesen, das Gespenst einer Wiederkehr antijüdischer Diskriminierung und Verfolgung hat sich verflüchtigt. Wenn der Zentralrat im Herbst einen neuen Präsidenten wählt, wird dies der erste sein, der nach dem Holocaust geboren wurde. Damit rücken die Bedürfnisse der jüngeren Generationen deutscher Juden in den Vordergrund.