Zitat von
umananda
Es war 1999, als ich zum ersten Mal bei einer Nationalratswahl mein Wahlkreuzerl machen durfte ... und ich mitten im Umzug nach Paris ein Chaos lebte. Mein Entschluss, das Studium von Wien nach Paris zu verlegen, hatte vielerlei Gründe ... einer von ihnen war die Stimmung in Österreich, die schon während meiner Schulzeit bis zur Matura herrschte - während den Wiener Gemeinderatswahlen im Jahre 1996, bei denen ich noch nicht wahlberechtigt war ... als ein FPÖ-Plakat die Straßen von Wien verunstaltete ... „Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk…oder Kunst und Kultur?“
Diesen Satz konnte man in großen Lettern auf Plakaten der FPÖ lesen. Eine Geige als vermeintliches Symbol der Hochkultur war noch abgebildet, darunter der Zusatz: „Freiheit der Kunst statt sozialistischer Staatskünstler“. Eine indirekte Anspielung auf die ehemalige Geigenschülerin Elfriede Jelinek ... zum ersten Mal fand in Österreich seit 1938 ein direkter Angriff auf Künstler statt ... namentlich erwähnt ... Burgtheaterdirektor Claus Peymann und Jelinek ... das gab es bisher nicht und die rechtspopulistischen FPÖ ließ diese alte "Tradition" wieder aufleben.
Es herrschte Entsetzen darüber ... nun, drei Jahre später war ich wahlberechtigt und wählte gezielt gegen Haider - wie die meisten meiner Freunde und Schulkameraden. Selbst die Lehrer ... und trotzdem erhielt die Haider-Partei knapp 27 Prozent. Das höchste Ergebnis, das im Nachkriegsösterreich jemals eine rechts-populistische Partei bei Nationalratswahlen auf sich vereinigen konnte.
Ich war schon auf dem Weg zum Flughafen Schwechat, als die ersten Hochrechnungen eintrafen ... mein Vater schwieg ... während meine Mutter mir auf Französisch zu verstehen gab, dass ich eine sehr gute Entscheidung getroffen hätte, mein Studium an der Universität Paris-Sorbonne zu absolvieren und ich solle mir keine Gedanken machen ...
Es war eine seltsame Stimmung ... die ich nicht sonderlich ernst nahm ... und ich wechselte meinen Pass ... überreichte meiner Mutter den österreichischen Pass und sagte zu ihr, sie solle ihn in meine Schreibtischschublade legen ... es reicht wohl mein französischer Pass.
In Paris war ich sehr beschäftigt und in den ersten Tagen musste ich viele Dinge erledigen. Aber immer wenn ich in einem Café saß und Zeitung las ... war in den Schlagzeilen immer von L’Autriche die Rede. Haider und L’Autriche ... auch in anderen ausländischen Zeitungen ... aus Deutschland und den USA war Österreich in den Schlagzeilen gerückt.
Man schüttete Verachtung und Spott über meine Heimat ... französische Kommilitonen und Freunde fragten mich, was ich als Jüdin aus Österreich von diesen Ungeheuerlichkeiten halten würde, die sich in Österreich abspielten. Ob man dieses Land boykottieren solle ... ob man ein faschistisches Land in der EU akzeptieren könne und ob ich nun für immer in Paris bleiben würde.
Ich wurde fast starr und taub ... irgendwie kam mir das alles wie ein böser Traum vor. Aber umso mehr man mir dieses Schreckgespenst Österreich vor Augen führte, je mehr rückte ich in die Verteidigungshaltung. Ohne es zu beabsichtigen, fing ich jedes mal an, ein Plädoyer für Österreich abzugeben. Zuerst war es für die anderen völlig unverständlich, dass ich als Jüdin die Partei Österreichs ergriff ... aber allmählich dämmerte es meinen französischen Freunden.
Sie ist halt eine Österreicherin ... ob Jüdin oder nicht ... sie bleibt eine Österreicherin.
Und es ist wohl so ... was hat ein Haider oder sonst ein Volldepp mit meiner Liebe zu Österreich zu tun? Nichts!
Servus umananda