Wie dumm muss man eigentlich sein, um bei der taz noch eine Kolumne schreiben zu dürfen?
Das Kopftuchmädchen Kübra Yücel hat es jedenfalls geschafft und durfte jüngst darüber berichten, wie sie zusammen mit "Maya" und "Mathilde" durch Paris geschlendert und mit einem jüdischen Marrokaner ins Gespräch gekommen ist, bei dem sie einen ostafrikanischen Wickelrock kaufen wollte.
Der Traum jeder taz-Leserin ist zum Greifen nahe! Mit Maya und Kübra durch Paris schlendern, ostafrikanische Wickelröcke kaufen - dann mit einem Mann ins Gespräch kommen, der einerseits Jude ist - aber gleichzeitig auch einer von den Guten, weil people of color und so! So steht ja auch "in einem Comic", daß nicht die Religion, sondern die ethnische Herkunft der "weißen" Israeliten das Problem sei. Die nicht-weißen Juden hingegen, die sind freilich knorke.Die weißen Israeliten
KOLUMNE VON KÜBRA YÜCEL
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Während ich mir den Kikoi um die Hüften wickle, spricht Maya mit dem Ladenbesitzer. "Er ist jüdischer Marokkaner!", übersetzt sie. Sofort frage ich ihn: "Wie ist das Verhältnis zwischen jüdischen und muslimischen Marokkanern?" Lächelnd hält er den Daumen hoch. "Sehr gut. Sehr gut. Wir sind alle Brüder. Ich bin Marokkaner, hundert Prozent Marokkaner", erklärt er in gebrochenem Englisch. Ich erfahre, dass seine Vorfahren damals vor der spanischen Inquisition nach Marokko geflohen sind. Ich würde gerne weiterfragen. Dazu kommt es aber nicht.
Was der Besitzer erzählt, erinnert Maya an eine Theorie, die wir kürzlich in einem Comic über Palästina lasen: Nicht die Religion, sondern die ethnische Herkunft von "weißen" Israeliten sei Grund für die rassistische Politik Israels. Juden aus Nordafrika seien unvoreingenommener gegenüber Palästinensern. "Wären alle in Israel so wie der Verkäufer, könnte man dort in Frieden leben", sagt Maya zu mir.
(Der alte Kalauer jedenfalls -"Sitzt ein Schwarzer in der U-Bahn und liest eine jüdische Zeitung. Kommt ein Mann vorbei und herrscht ihn an: 'Neger zu sein alleine reicht ihnen wohl nicht!?'"- muss jetzt wohl umgeschrieben werden.)
Dumm nur, daß unser jüdischer Wickelrockhändler nicht ganz auf der Linie ist, die Frau Yücel so für angebracht hält.
Wahrscheinlich in der irrigen Annahme, daß sich der arme Kerl für die Meinung einer linskalternativen Kopftuchmuselmanin, einer Symbiose aus muslim markt und taz interessiert, widerspricht sie natürlich:Beim Schlagwort "Israel" richtet sich der Verkäufer auf. (...) Die Araber hätten so viel Land und die Juden wollten nur ein bisschen Platz zum Leben.
Aber natürlich geht am Ende doch noch alles gut aus:"Es ist das Heimatland der Palästinenser", entgegne ich. "Keiner darf sie dort verjagen." Wir diskutieren. Siedlungen, Menschenrechte, die UN, Rassismus und Freiluftgefängnisse. Der Nahostkonflikt auf dem Ladentresen.
Ja, und nächste Woche reist Frl. Yücel ins Sudetenland und erklärt den Leuten, daß sie ihr Land doch nicht auf dem Blut eines anderen errichten konnten. Inschallah ist alles möglich!Aber ich will das Thema Palästina nicht so schnell zu den Akten legen und bitte Maya um eine letzte Übersetzung: "Kein Land auf dem Blut eines anderen." Der Verkäufer lacht und sagt: "inschallah, inschallah."
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Edit:
Noch lustiger als die Artikel in der taz sind übrigens die Leserdiskussionen.
Immer sehr empfehlenswert! Und das gilt auch bei diesem Artikel.
Da ist zum Beispiel "Soysal Feyzanur", der seine Glaubensschwester natürlich verteidigt:
So sehen das auch "Abd"...Schwester Kübra, lass dich nicht beeinflussen! Es stehen Milliarden von Menschen hinter dir.
...und "Bekir"Weiter so Kübra! Super Kolumne..
"Anna" und "Jonas" hingegen sind voll betroffen und traurig und so.Schön Kübra. Mach weiter..
Ob ihnen was dämmert; der Anna und dem Jonas? Man darf es bezweiflen.Ich muss mich Jonas K. anschließen. Ich hänge an meiner TAZ. Und doch: die "weißen Israeliten" sind der Grund für den Konflikt? Ohne sie hätten wie Frieden? Ich bin sprachlos. Fassungslos. Traurig
Aber vielleicht nehmen sie sich ja an "Hilde" ein Beispiel, die schon "seit über 20 Jahren Muslima" sei und genau wie ihr großes Vorbild das Beste aus Muslim Markt und taz miteinander vereint:
Hau rein, Kübla! ich bin sicher nicht die einzige, die verdammt stolz auf dich ist! Weiter so!