Merkel als Buch-Promoterin auf rutschigem Parkett
Die Bundeskanzlerin promotet die Biografie des letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière. Die birgt einige Brisanz.
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Ein Beispiel sind de Maizières Exkurse über die eigene Familie, die mit der deutschen Teilung ebenfalls geteilt wurde. De Maizières Vater Clemens, der wie der Sohn Rechtsanwalt, CDU-Mitglied und Jurist der Evangelischen Kirche war, stand der Familie im Osten vor. Sein fünf Jahre jüngerer Bruder Ulrich, Offizier in Hitlers Wehrmacht, Generalinspekteur der Bundeswehr und Vater von Innenminister Thomas de Maizière, war im Westen das Oberhaupt. Dazu heißt es in dem Buch: "Das familiäre Band war nie abgerissen. Wir hatten auch zu Mauerzeiten unter schwierigen Umständen Kontakt gehalten.“
Kontakt gehalten? So kann man das auch formulieren. Hier enthält der Autor dem Leser eine abgründige Familientragödie vor. Denn sein Vater Clemens war ein besonders eifriger Spitzel des DDR-Geheimdienstes, für den er unter den Decknamen "Clemens“, "Phil“ und "Anwalt“ im Einsatz war.
Laut Unterlagen aus der Birthler-Behörde berichtete er insbesondere auch über seinen Bruder Ulrich und scheute nicht davor zurück, der Stasi aus Briefen seiner in Hannover lebenden Mutter vorzulesen. Der dramatische Verrat ist Lothar de Maizière in seinem Buch keine Silbe wert.
Im Dezember 1990 berichtete der "Spiegel“ über einen hauptsächlich in Kirchenkreisen eingesetzten IM mit dem Decknamen "Czerny“ – dessen Klarname sei Lothar de Maizière. Im Auftrag des Bundeskanzleramtes ließ Innenminister Wolfgang Schäuble die delikate Aktenlage untersuchen.
Dann "rehabilitierte“ er, wie das damals hieß, de Maizière. Dabei war dieser durch ein Gutachten der Gauck-Behörde schwer belastet. Dazu erfährt man im Buch: "Ich hatte in meiner Anwaltstätigkeit regelmäßig mit der Staatssicherheit zu tun. Inoffizieller Mitarbeiter war ich nie.“
Joachim Gauck überzeugt diese Version bis heute nicht. In seinem Buch über die Friedliche Revolution ("Winter im Sommer - Frühling im Herbst“) weist er auf die belastenden Indizien hin und nennt ein mögliches Motiv, warum Schäuble einst Lothar de Maizières reingewaschen haben könnte: "Die Parteispitze der CDU wollte ihren stellvertretenden Bundesvorsitzenden offenkundig decken.“
Auch vor diesem Hintergrund begibt sich Merkel auf ein glattes Parkett, wenn sie heute erneut ein literarisches Urteil fällt.