Normannische Theorie (Skandinavische Theorie): Dies ist die heute von der Mehrzahl der Wissenschaftler vertretene Theorie. Der Name Rus wird von der finnischen Bezeichnung für Schweden/Nordgermanen hergeleitet, Ruotsi, oder von ihrer mutmaßlichen Heimat in Schweden, Roslagen. Das finnische „Ruotsi“ ist aus dem altgermanischen Wort für „Ruder“ entlehnt. Dagegen wird allerdings eingewandt, dass im genitivischen Anfangsglied *Rōþs der Anfangsvokal nicht vor dem 6. Jahrhundert verstummt sein könne, und das sei für die Benennung eines seit altersher benachbarten Stammes zu spät.
Ostslawische Theorie: Rus heiße ein Stamm der Ostslawen (Teil der Poljanen), der südlich vom heutigen Kiew entlang des Flusses Ros ansässig war. Der Name des Stammes kann entweder vom slawischen Wort für „rot, hell“ (rusyj) oder vom Namen des Flusses stammen. „Rus“ war in der altslawischen Sprache ein Wortstamm für Wasser und ist heute in Worten wie Русло (Flussbett) Русалка (Wassernymphe) und Роса (Morgentau) sowie im Verb орошать (bewässern) erhalten. Rus könnte demnach nicht zwangsläufig ein Stammesname sein, sondern die Bezeichnung für jegliche Menschen, die die Flüsse befuhren. Ein Stamm von Rossomonen (Ros-Mannen) wurde schon in 6. Jahrhundert bekannt (Jordan), lange vor der Ankunft der Waräger. Diese Theorie erfreute sich in der Sowjetunion großer Beliebtheit, wird aber außerhalb der GUS-Staaten kaum vertreten.
Alanische Theorie (Iranische Theorie): Laut einigen deutschen, russischen und britischen Sprachwissenschaftlern und Historikern könnte die Bezeichnung Rus auch auf einen alanischen Teilstamm der Ruchs-as oder auf die sarmatischen Roxolanen zurückgehen. In beiden Stammesnamen steckt, wie auch in den iranischen und russischen Vornamen Rustam und Ruslan, altnordiranisch Raochschna = „weiß, Licht“; Rus als Volksname würde demnach „die Hellen, Strahlenden“ bedeuten. Die Anwesenheit von nicht-assimilierten Alanen in den Siedlungen und Städten der frühen Kiewer Rus ist archäologisch belegt. Allerdings wird diese Theorie von den meisten Wissenschaftlern zurückgewiesen. Die alanische Theorie ist vor allem deshalb unwahrscheinlich, weil Alanen eher im Süden der Rus lebten, zudem in nur sehr geringer Zahl. Zudem waren die Alanen in der frühen Rus nicht so gut organisiert wie die skandinavischen Raubhändler.
Westslawische Theorie: Eine von nur sehr wenigen Historikern vertretene Theorie ist die folgende: Der Name wird vom westslawischen Stamm der Ranen (Rujanen) hergeleitet, der am Ostseehandel sowie an den Expeditionen der Waräger intensiv teilgenommen haben. Der Name des russischen Dynastiegründers Rurik wird aus dem westslawischen Rarog abgeleitet.
Etruskische Theorie: Diese Theorie wird von einigen wenigen Wissenschaftlern vertreten. Die Theorie ist nicht neu, allerdings methodisch nicht vollständig ausgearbeitet. Allgemein ist anerkannt, dass die Eigenbezeichnung der Etrusker Rasenna war.[4] Man geht davon aus, dass der Name sich nach der römischen Expansion quer über den Kontinent Europa ausbreitet, wobei er in Westeuropa keine größere regionale Bedeutung erlangt. Er ist zum Beispiel als Ross auch global präsent, dank französischer und schottischer Namensträger. Im heutigen Italien tauchen Toponyme auf wie zum Beispiel[5] Rassina (Mittlerer Apennin), Rasun di Sopra (Trentino-Südtirol), Rasa (siehe auch Rasa TI), Resia und Rissa (Alpen), Risano (Friaul-Julisch Venetien) und als markantes Beispiel Rosia (Toskana). In Schottland gibt es eine Region Ross, gälisch Rois (siehe Ross-shire), die ihren Namen dem schottischen Clan Ross zu verdanken hat. Dass dabei vermutet wird, der Name käme vom altnordischen hrossay für Pferde, ist nur bedingt korrekt und deutet darauf hin, dass dieser Clan Ross beritten war, was wiederum auf einen kontinentalen Ursprung schließen lässt. Weiterhin tauchen im heute lateinischen Europa romanischer wie germanischer Sprachen einige Toponyme auf wie La Ruse (Südfrankreich) oder Russ (Bas-Rhin) (Rheingebiet), aber auch Wörter wie Ruß (älter roas= dunkel, schwarz), Rost, rot, Rose, Ross, Rasse, etc.. Sehr aufschlussreich für die etruskische Theorie ist die Präsenz des Namens in Osteuropa. Hier erkennt man praktisch eine Fährte von der Küste der Adria über die Toponyme Résiatal,[6] Risan (Montenegro), Roč (ital. Razzo) und Raša (ital. Arsio, Istrien), Raszien, Russe (Stadt) und Oblast Russe, Russinen, Ruthenen, Roxolanen, Rothreußen bis hin zu dem historischen Gebiet der Rus. Diese Fährtenlegung ist für die Exiletrusker nicht unüblich und zeigt sich im gesamten europäischen Raum. Sie deutet auf einen ausgeprägten Totemismus hin. Die Etruskische Theorie absorbiert und ergänzt die bisherigen Theorien. Die Ursprünge des Namens Rasenna im heutigen Mittelitalien sind wie viele andere Toponyme Etruriens im mittleren Asien zu suchen. Da über die Toponomastik nahezu belegt ist, dass die Namen in Etrurien teilweise häufig spiegelverkehrt vorkommen, fällt in Mittelasien Assyrien[7] in den Blickwinkel. Ethnolinguistisch betrachtet entwickelt sich die slawische Sprache der Russen und der anderen Slawen, daher erst mit der kulturellen Kollision mit den Sarmaten, wie Alanen im europäischen Sarmatien.