Der deutsche Staat macht sich dünne, wenn es um die bezahlte Erledigung von Aufgaben im Bereich der originären staatlichen Fürsorge geht und das nicht erst seit gestern. Das ist wohlgemerkt der gleiche Staat, der sich durch nicht geringe Steuerleistungen gerade der im Mittelstand verankerten Bürger/innen finanzieren lässt, damit er seine Fürsorge solide organisieren kann
.
De facto verletzen dieser Staat und das Land Hessen die staatlich verankerte Schulpflicht. Diese verpflichtet zwar zunächst die schulpflichtigen Menschen zum Besuch einer Schule, diese Pflicht macht aber nur dann Sinn, wenn der Staat, der auf die Einhaltung dieser Schulpflicht besteht, in logischer Konsequenz einen gelingenden Schulbetrieb anbietet, dessen Besuch sich auch für möglichst alle Schüler/innen lohnt.
Die Schüler/innen haben nicht nur die Pflicht eine Schule besuchen zu müssen,
sie haben unisono das Recht eine gute Schule besuchen zu können.
Dieses Recht und damit der Grundgedanke der Schulpflicht wird in Hessen vernachlässigt und teils regelrecht mit den Füßen getreten, denn die Prekarisierung von Bildung und Pädagogik findet sich allenthalben dort, wo der Löwe im hessischen Landeswappen eingeschlafen ist, wenn es um eine gute Bildung geht. Dass inFolge dieser hessischenSchmalhans-Pädagogik auch Opa und Oma als Lernhilfen für lau willkommen geheißen werden, darf nun wirklich nicht wundern und dass die geizige Politik versucht die von ihr willkürlich verursachten personellen Lücken auf die billige Tour via „Ehrenamt“ zu mildern, daspfeifen die Spatzen von den teils undichten Schuldächern.
Natürlich leugnendie für diese unsoziale Politik verantwortlichen Herren und Damen (die bizarrerweise kein Problem mit beständigen Steigerungen ihrer üppigen Gehälter haben) diese Problematik und die (interessanterweise oft hauptamtlich aufgestellte)Ehrenamtslobby leugnet diese willkürlichen sozialen Verwerfungen seit Jahr und Tag artig mit. Dafür liefert Ihre aktuelle Rückmeldung und das dort gezeigte naive Wunschdenkenfür mich einen neuen Hinweis.
Es mag sein, dass Sie und das Freiwilligen-Zentrum Offenbach e.V. nicht wollen, dass die ehrenamtlichen Lernbegleiter/-innen pädagogische Aufgaben von Lehrkräften übernehmen, aber de facto werden diese ehrenamtlichen Lernbegleiter/-innen (so denn sich solche überhaupt finden lassen) auf Grund der oben benannten prekären Rahmenbedingungen Aufgaben ausführen, für die längst bezahlte Kräfte hätten eingestellt werden können und sollen.
Die reguläre hauptamtliche Schule hat in ihrer real existierenden Präsenz auf die Anforderungen von Inklusion, Integrationsarbeit und Bildung im Hinblick auf die Ganztagsschule angemessen einzugehen, ohne dass es auch nur einer Sekunde der Mitarbeit von externen freiwilligen Mitarbeiter/innen bedarf!
Eine gelingende Ganztagsschule bekommt man nun einmal nicht fürs halbe Geld.
Der Werbegag „Nimm 2, zahle 1!“ passt zu „Rudis Resterampe“, aber nicht zur Schule in Hessen.
Dass eine gelingend versuchte Schule angesichts wachsender Anforderungen entsprechende Kosten verursacht, dieser Grundsatz scheint Ihnen dem Freiwilligen-Zentrum Offenbach e.V. und etwaigen Dritten entgangen zu sein, wenn ich dieses Zitat wahrnehme:
„
Mit der Zunahme der Intensivklassen seit 2016 entstand die Idee ein Projekt zu starten, das Schülerinnen und Schüler mit geringen Deutschkenntnissen eine Unterstützung durch ehrenamtliche Lernbegleiter/-innen anbietet.“
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Dieser eine Satz offenbart komprimiert das Dilemma des Missbrauchs des Ehrenamts:
Besteht irgendwo ein Problem, dass der Staat mit mehr bezahlten Personal lösen könnte/lösen müsste kommt irgendwoher irgendwer in seinem vorauseilenden Gehorsam mit der altbackenen Idee daher, dass diesen notwendigen Job doch auch billige Ehrenämtler machen können.
Das hilft diesem müden Staat Geld für gute bezahlte Arbeit zu sparen, dass dann an anderer Stelle für sinnlosen Großkotz und spritschluckende Dienstwagen ausgegeben werden kann. Zudem steht vielleicht die nächste Diätenerhöhung an. Dass aber diese ehrenamtliche Billigheimer-Politik Abstriche an der Qualität der pädagogischen Versorgung sowie Armut und mangelnde Lebensperspektiven für pädagogische Fachkräfte bedeuten kann, wird beständig von denjenigen verleugnet, die solch ehrenamtlichen Tätigkeiten organisieren. Diese Akteure suhlen sich in ihren eng begrenzten Wahrnehmungsblasen und betreiben Ihre Realitätsverkennung teils noch öffentlich.
Richtig absurd wird es z.B. wenn wir uns vor Augen führen, wie das Freiwilligen-Zentrum Offenbach e.V. und etwaige Partner sich die Vorbereitung der ehrenamtlichen Lernbegleiter/-innen für deren Tätigkeit vorstellen, Zitat:
„Wie werden die ehrenamtlichen Lernbegleiter/-innen vorbereitet und begleitet?
Vor Aufnahme der Tätigkeit nehmen die Interessenten an einer dreiteiligen kostenfreien Basisqualifikation teil, die sie für ihr Engagement gut vorbereitet. In der Schulung geht es u.a. um folgende Themen: Einführung in das „System Schule“, Lerntypen und -förderung, Einsatz von Materialien und Methoden im Unterricht (Praxisbeispiele), Aufgabenklärung in der Zusammenarbeit mit Schulen. Die Termine für die Qualifizierung 2019 sind am 1. März, am 8. März und am 15. März jeweils von 9 bis 12 bzw. 13 Uhr.“
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Hier wird von einer
„dreiteiligen kostenfreien Basisqualifikation“ gesprochen, welche durch die Teilnahme an drei Einzelterminen von jeweils 3-4 Stunden (inklusive etwaiger Pausen) erzielt werden soll. In zusammen also etwa 9-12 Stunden gesammelter Schulung sollen die etwaigen Aspiranten „gut“ i
n das „System Schule“, Lerntypen und -förderung, Einsatz von Materialien und Methoden im Unterricht (Praxisbeispiele) und Aufgabenklärung eingeführt werden.
Angesichts dieses ominösen „Speed-Teachings“, wie ich diesen flotten Schnellkurs nennen möchte, frage ich mich bzw. besser Sie Frau Jacob und das Freiwilligen-Zentrum Offenbach, warum Lehramtsanwärter/innen in aller Regel mindestens 6 Semester mit 12 - 24 Wochenstunden Präsenz in den Lehrveranstaltungen + eigener Lernarbeit studieren, ein Orientierungspraktikum und zwei mindestens 4 Wochen umfassende Schulpraktika leisten, also mindestens 3000 Stunden praktisch wie theoretisch erfolgreich bis zum 1. Staatsexamen gelernt und gearbeitet haben sollten, wenn Opa und Oma in diesem ca. 11 Stunden umfassenden Lehrgang eine „Basisqualifikation“ erhalten, die sie für ihr Engagementals ehrenamtliche Lernhelfer „gut vorbereitet“?
Ihre Dozent(inne)n, welche in dieser flotten Schulung Menschen das System Schule in vielerlei Dimensionen „gut“ nahebringen sollen (darunter mitunter wohl auch Menschen, die ein ganz anderes System Schule vor rund einem halben Jahrhundert besucht haben), diese Dozent(inn)en müssen ungeheure pädagogische bzw. didaktische Überflieger sein! Anders kann ich mir nicht erklären, wie hier eine „Basisqualifikation“ in etwas mehr als einem Arbeitstag erstellt werden soll, wo müde Universitätsprofessoren und Dozenten den lahmen Lehramtsnachwuchs in vergleichsweiser ewig langen 3 - 4 Jahren für die Anfänge des Lehrerberuf fit zu machen suchen.
Jeder durchgeknallte Betriebswirt (und deren gibt es viele) wird da die Frage stellen: Kann/will Hessen sich die schicke neue Universität, die teuren Professoren und die auch nicht ganz billigen Berufslehrer noch leisten, wo Opa und Oma nach 11 Stunden Basisschulung der Schule für lau zur Seite stehen?
Ich überlege mir gerade, zu welcher Effizienzsteigerung und Kostenersparnis der Einsatz einer solchen „Basisqualifikation“ in Disziplinen führen könnte, in denen sonst langjährige sehr teure Ausbildungen nötig sind. Der vielbeschworene Facharbeitermangel könnte in wenigen Monaten quasi zum Preis eines Taschengeldes ad acta gelegt werden! Wie wäre es zur Abwechslung mal mit der Qualifikation zum ehrenamtlich tätigen Herzchirurgen in nur 4 Wochen?
Das Sana-Klinikum wäre möglicherweise sehr interessiert, denn gespart werden kann und soll fast überall in deutschen Schnäppchenlanden, besonders dann, wenn es um bezahlte Arbeit geht.
Da ich aber kein so durchgeknallter Betriebswirtschaftler bin, der gutes und notwendiges Personal zum üblen Kostenfaktor degradieren will, ärgert wieder einmal sehr, wie auch in der Pädagogik gesunde Facharbeit durch extrem naiv formulierte billige Ersatzkonzepte verwässert werden soll.
Menschen, die solide arbeiten wollen, dafür sich ausbilden finden zunehmend keine soliden Beschäftigungsmöglichkeiten mehr, das verleidet die Lebensqualität, die Lebensplanung und letztendlich die Berufsmotivation. Die bezahlte Ehrenamtslobby zerstört zunehmend gute bezahlte Arbeit und wird für diesen höchst unfairen Auftrag von der unfairen Politik finanziert. Das schlägt dem Fass den Boden aus und diese miese Billigheimer-Strategie bettelt geradezu nachhaltig um den kollektiven Burnout. Sie wird ihn bekommen.
Die von Ihnen gesuchten ehrenamtlichen Lernbegleiter/innen wären in einer gelingend aufgestellten Schule allenfalls ein erwünschter Begleitumstand. Da aber die hessische Schule alles andere als gelingend aufgestellt erachtet werden muss, erscheint mir Ihre „Sicherstellung“, dass im Fall der ehrenamtlichen Lernhelfer in Offenbach kein Missbrauch der ehrenamtlichen Arbeit erfolgen würde, als eine unglaubwürdige Schutzbehauptung, mit der Sie Frau Jacob und ihr Verein den von Ihnen unterstützen Missbrauch des Ehrenamts zu kaschieren suchen. (...)