Und ich dachte, Toleranz wäre eine der schönsten Blüten im bunten Strauß unseres Wertekanons. Aber tröste dich, das habe ich sowieso nie geglaubt. Ich glaube aber, dass Koexistenz auf dem Umweg über räumliche Trennung und Einsicht in die eigenen Grenzen sehr wohl möglich ist. Wir sind uns - nehme ich mal an - einig, dass das Russland unserer Tage noch nicht mit der UdSSR des kalten Krieges mithalten kann, trotzdem gab es damals keinen einzigen ernsthaften Versuch, dem "Falschen" dort zu begegnen, man hat sich stets damit begnügt, die eigenen Schaufenster zu dekorieren und sich in "Weitfortistan" ein bisschen zu bekriegen, indirekt natürlich. Ist der Westen in den letzten 30 Jahren so viel besser geworden, weil er nun auf Konfrontationskurs geht? Oder liegt es doch daran, dass Russland heute schwächer ist als die UdSSR 1985, und dass man nun hofft, doch einen Stich machen zu können? Soweit ich mich erinnern kann, waren wir 1985 wesentlich freier in vielem, als wir es heute sind, und der Kontrast zur Welt hinter dem eisernen Vorhang war wesentlich größer. Trotzdem haben wir friedlich koexistiert, wenn der Friede auch ein brüchiger war.
Aber du hast natürlich mindestens soweit Recht, als es letztendlich wirklich darum geht, zu obsiegen. Allerdings sehe ich aktuell den Westen in der Offensive, und ich sehe ein Russland, das jetzt eine der bei uns so beliebten "roten Linien" zieht, die bitte niemand überschreiten soll. Morgen kann das wieder umgekehrt sein, aber heute ist es so.