Der Mann, der mit seiner Terrorwarnung zu Weihnachten ganz Deutschland in Atem hielt, ist der per Haftbefehl weltweit gesuchte Islamist Emrah E. Ein Kult-Grüner aus dem Reichstag hielt zu ihm engen Kontakt
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Nach FOCUS-Recherchen ist E. tief in die deutsche Islamistenszene verstrickt. So unterhielt er enge Verbindungen zu der im April ausgehobenen Düsseldorfer Terrorzelle. Mit deren Drahtzieher tauschte er sich über geheime E-Mail-Konten aus. Auch zwei kürzlich in Ulm und Bonn verhaftete Islamisten kennt Emrah gut. „Er ist kein harmloser Mitläufer“, urteilt ein Ermittler, „sondern ein mutmaßlicher Terrorist.“
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Wichtige Informationen zu dem brisanten Fall Emrah E. und den deutschen Islamisten in Mir Ali könnte womöglich ein ungewöhnlicher Kontaktmann des Wuppertaler Extremisten liefern – der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Hans-Christian Ströbele. Ihm schickte E. am 30. Januar eine Mail mit Details zu einem US-Drohnenangriff in Mir Ali. Vielleicht war es diese Attacke vom 4. Oktober 2010, die Emrah E. kurzzeitig aus der Bahn warf. Die Rakete schlug in eine Lehmhütte in der Nähe der Grenzstadt ein. Er habe einen lauten Knall gehört, berichtete E. in der Mail an Ströbele, „meine Augen waren voll mit Erde, da die Häuser aus Lehm waren“. Zufällig hatte er den Raum verlassen, in dem die „Freunde“ saßen, die er zum Essen „in meinen Hof“ eingeladen hatte. „Wir waren acht Personen.“
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Berührungsängste mit dem Radikalen aus der Unruheregion zeigte Ströbele offenbar nicht. Er versuche schon seit vielen Wochen, den Tod von Bünyamin E. aufzuklären, mailte der Grüne zurück. Ströbele hatte zuvor den Verdacht geäußert, „dass die Bundesregierung zu diesen Angriffen beiträgt“. Ungeklärt ist die Frage, ob deutsche Geheimdienste Handy-Nummern oder E-Mail-Accounts von terrorverdächtigen Afghanistan-Reisenden an US-Behörden weitergeleitet haben – und so möglicherweise die US-Drohne indirekt an ihr Ziel führten. Die Bundesanwaltschaft prüft diesen Vorgang.
Ströbele traut den Ermittlern offenbar nicht. Vielmehr verstieg er sich in seiner Antwort an Emrah E. zu einer abenteuerlichen Unterstellung: Es sei zu „befürchten, daß sie (die Bundesanwaltschaft) versuchen wird, das Verfahren einzustellen mit der Begründung, es gebe keine Zeugen oder andere Beweise“. Darum sei er an weiteren Informationen und Zeugen interessiert. Auf FOCUS-Anfrage wollte sich Ströbele vergangenen Freitag nicht zu dem brisanten E-Mail-Kontakt äußern. Er habe dafür „keine Zeit“.
Somit bleibt offen, warum sich der Bundestagsabgeordnete mit dem militanten Islamisten auf eine Korrespondenz einließ und ob er die Ermittler über seine Erkenntnisse informierte.
FOCUS begab sich im Bergischen auf Spurensuche nach einer der schillernsten Figuren der hiesigen Fundamentalistenszene. „Emrah war ein Angstbeißer“, erzählt Friedrich Bleckmann, 64. Eine halbe Stunde vor Wuppertal, an der Autobahn 44, züchtet der Bauer Schafe. Bei Bleckmann haben Emrah und Bünyamin E. gejobbt, seit sie 16 Jahre alt waren. Ihr Vater hatte die Jungs mitgebracht, „damit sie arbeiten lernen“, erinnert sich der Bauer. Bünyamin sei ein „ruhiger, angenehmer Typ“, Emrah dagegen „aufbrausend und sehr aggressiv, besonders, wenn ihm irgendetwas nicht passte“. Zu Hause, einem Mehrfamilienhaus aus grauem Beton in Wuppertal-Vohwinkel, öffnet ein Bruder die Tür. Reden will er nicht.
Hier, im Tal unter der Wuppertaler Schwebebahn, begeht Emrah E. mit 16 erste Strafttaten. Zweimal wird der Heißsporn wegen „schwerer räuberischer Erpressung“ verurteilt. Zuletzt überfiel er mit anderen einen Dealer am Bahnhof. Sie schlugen den Jugendlichen und zwangen ihn, Geld und Drogen rauszurücken. „Sonst schneide ich dir einen Finger ab“, drohte Emrah laut Urteil mit gezogenen Messer. Für drei Jahre und sechs Monate muss er ins Gefängnis.
Als er im Sommer 2008 vorzeitig entlassen wird, ist er ein anderer Mensch. „Auf einmal liefen Emrah und sein Bruder in langen, weißen Gewändern herum und trugen Gebetsmützen“, weiß Bleckmann. Zuletzt habe er sie beim türkischen Schlachtfest im Dezember des Jahres gesehen. „Emrah hat die Schafe reingetrieben, sein Bruder nach dem Abziehen die Felle gesalzen.“
Vom Schafsstall auf das Schlachtfeld: Vermutlich Anfang 2010 ziehen Emrah und sein Bruder in den Dschihad. Seinen jüngeren Bruder Yusuf fordert er später auf, daheim einen Aldi-Markt zu überfallen, um Geld für den „Heiligen Krieg“ zu besorgen. Der Plan geht nicht auf.
Gegen sieben Verdächtige aus der Wuppertaler Szene ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung.“ Der Krieger „Emo“ ist ihr Kopf.