Zitat von
Praetorianer
Das Gegenteil ist der Fall, du hattest hier eine strenge Definition von "Historiker" geliefert, die ich zu eng fand. Das hatte ich begründet. Es gibt Laien, die historische Bücher verfassen, denen dann auch zahlreiche akademische Gelehrte bescheinigen, dass sie ausgezeichnete Bücher verfasst haben. Auch ohne "Flug-, Hotelkosten und Auslandsaufenthalte", auch ohne Pauschale von 500-1000 Euro pro Tag. Das hängt von so vielen Faktoren ab, vom Gegenstand, von den Möglichkeiten, etc.
Ist das dein Ernst? Der Themenbereich "Holocaust" in Deutschland tabu? Oder der Themenbereich deutsche Besatzung in Polen tabu? Dazu erscheint nichts in deutscher Sprache?
Der bekannteste deutsche Literaturkritiker der gesamten Nachkriegsgeschichte Marcel Reich-Ranicki erlebte als Jude die deutsche Besatzung in Polen. Seine Biographie "Mein Leben", in der es auch über dieses Kapitel geht, wurde im Jahre 2000 herausgebracht, von der gibt es mittlerweile garantiert die 20. Auflage, millionenfach verkauft, 2009 verfilmt (damit nochmal mehr Menschen bekannt), aber das Thema ist tabu und dazu darf in deutscher Sprache nichts erscheinen? Vielleicht solltest du diesen angeführten Punkt überdenken.
Wenn der Autor nicht will, dass sein Buch auf Deutsch erscheint, liegt das vielleicht am Willen des Autors und nicht an "Tabuthemen" in Deutschland.
Allein ein Buch, was ich als kompletter Laie mal gelesen bzw. in der Bücherei mal drin rumgeblättert hatte
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Scheint ein ganz großes Tabuthema hier zu sein, zu dem in deutscher Sprache auch nichts zu finden ist ...
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Wie kommt es, dass mein erster Treffern in deutscher Sprache das hier war?
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Das ist etwas merkwürdig, Goldhagen war m.W. zur Zeit der Publikation "associate professor" in Harvard als Politikwissenschaftler. Dachte, sowas gäbe es unter amerikanischen Historikern nicht?
Nein, das hat nichts mit Äpfel und Birnen zu tun. Es geht darum, dass aus wissenschaftlich korrekt zusammengetragenen Fakten und auch nach einwandfreier Methodik verschiedene Schlüsse gezogen werden können. Siehe oben, reine Geschichtsereignisse kann man auch in einer Exceltabelle zusammenstellen.
Wenn es zum Beispiel um die Mitwisserschaft des eines Geistlichen an diesem oder jenem Abtransport von Juden in ein Vernichtungslager geht, kann ein Wissenschaftler durchaus die Fakten zusammentragen, in den Kopf des Geistlichen reinschauen kann er nicht. Es kann aber Schlussfolgerungen geben. Aufgrund der dargelegten Fakten kann es einem Historiker zum Beispiel "unwahrscheinlich" erscheinen, dass der Geistliche nichts davon gewusst haben will. Einem anderen Historiker kann es aufgrund der Faktenlage durchaus als plausibel erscheinen, dass Geistlicher XY davon nichts mitbekommen hat. Unterschiedliche Schlussfolgerungen bei Einvernehmen über die Faktenlage, es gibt ja viele Bereiche, in denen Historiker streiten.
Eine von Millionen hast du ja genannt, Kriegsschuldfrage des I. Weltkrieges zum Beispiel. Und hier wirfst du glaube ich was durcheinander. Fritz Fischer ([Links nur für registrierte Nutzer]) vertrat in seinen Publikationen die Auffassung, das Deutsche Kaiserreich träfe die Alleinschuld, eine These, die von zahlreichen Historikern angegriffen und für die er teilweise zur damaligen Zeit auch abseits von wissenschaftlichen und sachlichen Diskussionen persönlich angefeindet wurde, aber es gab nie ein Publikationsverbot oder Themen, die diese Historiker aussparen mussten.
Wo man jetzt natürlich in eine Grauzone kommt, wenn man die eine Familien- und Konzerngeschichte eines so mächtigen Konzernes wie Krupp beschreibt und das Image des Konzernes drunter leiden könnte und der das mit Händen und Füßen verhindern will, kann es sein, dass man einen sehr harten und steinigen Weg gehen muss und einem juristisch und nicht-juristisch alle Knüppel zwischen die Beine gehauen werden, die nur möglich sind. Heute hat sich mit dem Internet eh vieles geändert, aber damals wäre man ja auch drauf angewiesen gewesen, einen Verleger zu finden, der einem die nötige Reichweite garantieren kann (man will ja nicht das Buch schreiben, um sich das einzige Exemplar selber auf den Schreibtisch zu stellen). Publikationsverbot, nein, Tabuthema nein, aber ein dickes Brett, was einem viele einflussreiche Feinde, viele Widerstände und wenig Ruhm hätte bringen können.
Dasgleiche betrifft auch die NS-Vergangenheit des Flick-Konzernes zum Beispiel, die sich zwar auch nicht dauerhaft verheimlichen ließ in Deutschland, die ja auch dann später erforscht und aufgearbeitet wurde, aber 1950 oder 1960 nen Problem dargestellt hätte. Zumindest für einen Wissenschaftler als Einzelkämpfer.
Ein Thema, was zum Beispiel noch in den 90ern (ich bezweifele, dass das heute im Internetzeitalter noch möglich wäre) noch langevon der Presse totgeschwiegen wurde, ist, dass bei Boehringer Ingelheim unter Richard von Weizsäcker Agent Orange produziert wurde, das später im Rahmen des Vietnamkrieges eingesetzt wurde, bei dessen Bekanntwerden er nie Präsident geworden wäre. Karlheinz Deschner hatte darüber mal geschrieben und in dem Zusammenhang geschildert, dass er da keinesfalls der erste wäre, nur der erste, der zu bekannt war, ihn totzuschweigen.
Das sind aber keine Tabuthemen oder Publikationsverbote.
Du hast dich erheblich zuviel in Internetforen bewegt. Allein in den o.g. Büchern findest dazu einiges, das ist alles wirklich Phantasterei, eine Parallelwelt, die du dir zusammenschusterst, weil du zu oft mit irgendwelchen Revisionisten in deutschsprachigen Foren diskutiert hast. Ich habe irgendwie meine Zweifel, dass du vor lauter Diskussionen mit irgendwelchen Sektierern irgendwie wirkliche Kontroversen unter Historikern in Deutschland verfolgt hast. Ob [Links nur für registrierte Nutzer], [Links nur für registrierte Nutzer] oder auch schon die o.g. Fischer-Kontroverse.
Über Gewichtungen, Bewertungen etc. mag man immer streiten. Die Behauptung, es gebe keine deutschen Historiker, die darüber schrieben, weil diese Themen tabu wären, ist so grotesk ...
Ich muss dazu sagen, ich bin bei dem Thema interessierter Zeitungsleser, mehr nicht. In dem Buch "Die Traditionslüge" von Ralph Giordano hatte ich gelesen. Alles andere, was ich hier angegeben habe, sind Stichwörter, die aus Zeitungsartikeln hängengeblieben sind und Dinge, die ein oder zwei Klicks bei Google entfernt waren. Ein Student der Geschichte könnte dich mit deutschsprachiger Literatur zu dem Thema bewerfen, bis du tot bist oder - wenn du einen sehr gesunden Lebenswandel pflegst oder der Herr schon sehr lange studiert - vielleicht bis er tot ist. Natürlich mit der Gewichtung erheblich mehr über Massaker an der Ostfront im II. Weltkrieg als über Massaker in Belgien im I. Weltkrieg.
Das mag ja alles sein, allerdings kann man wohl schwer behaupten, dass das Thema totgeschwiegen wurde in Deutschland, wenn das Buch in einer der meistaufgelegten Zeitungen Thema war.
Das kommt eben drauf an, in welchem Werk. Wissenschaftliche Publikationen müssen eh strengen formalen Kriterien genügen, um veröffentlicht zu werden. Bei einem Buch - wie gesagt - kommt drauf an, wie korrekt der Autor etikettiert. Wenn er seine Autobiographie schreibt und kennzeichnet, dass seine Mutter seiner Meinung nach einen miesen Charakter hatte und das als solches kennzeichnet, ist das alles noch nicht unseriös. Unseriös geht er mit seinem Ruf als Akademiker um, wenn er deswegen behauptet, es sei wissenschaftlich erwiesen.