Einiges kommt mir in dem Artikel sehr merkwürdig vor. Aber der Reihe nach.
„Igel & Hase“: Wir wollten mich keinesfalls auf den „Rüstungswettlauf“ einlassen (den man als Eltern eigentlich nur verlieren kann) und setzten von Anfang an auf das Erklären. Unsere Kinder hatten beide, seit dem sie 8 waren, ein Smartphone. Erst, ca. 1 Jahr lang, streng reglementiert, danach langsam langsam wurden die Filter und Auflagen zurückgefahren, so, dass mein 13jähriger mittlerweile fast den freien Internetzugang hat. Und wir sind uns sicher, dass er mittlerweile auch ein Gefühl dafür entwickelt hat, wann er auf „Seite verlassen“ gehen soll. Der 10jährige ist auf dem guten Weg dahin. Sein Gerät kontrolliere ich täglich – das Gerät von dem Großen mind. ein Mal pro Woche. Und er weiß auch, dass eiliges „Caches leeren“ und „Verlauf löschen“ nichts bringt und ich seine Daten, falls ich ein schlechtes Gefühl bekomme, trotzdem werde rauslesen können.
Unsere Logik war dabei folgende. Die Kinder werden in eine Welt eintreten, in der Technik allgegenwärtig ist. Wir fanden es angebracht, die Kinder in diese faszinierende und auch gefährliche Welt schon sehr früh einzuführen. Und denen die Welt genau so behutsam zeigen, wie ich den Kindern ja auch die genau so faszinierende und mindestens genau so gefährliche „Reale Welt“ erklären.
Einen unvorbereiteten 10jährigen ein Smartphone in die Hand zu drücken, mach ma, ist in meinen Augen unverantwortlich und kann nicht gut gehen. Man schmeißt ja das Kind auch nicht ins Wasser, von wegen „schwimm mal“, oder?
Unsere Einstellung fand bei uns im Freundeskreis wenig Verständnis, wie es auch wenig Verständnis fand, dass wir unsere Kinder nur dann mit „Handy-Entzug“ bestraften, wenn das unerwünschte Verhalten, was es zu bestrafen galt, auch etwas mit Handy zu tun hatte. Langsam langsam dreht sich das ganze: ich habe bis jetzt noch kein einziges Mal die Smartphones meiner Kinder aus der Schule holen müssen, weil sie von uns beigebracht bekamen, dass „Ding aus“ genau „Ding aus“ bedeutet.
„Fortnite Albträume“: „Fortnite Albträume“ war für die Fortnite Spieler ein Feiertag, wie es für die Erwachsenen Weihnachten ist. Ein einmaliges, wichtiges Event. Hier wurden einfach der Wille von Erwachsnen und deren Vorstellung davon durchgesetzt, was zu feiern ist und was nicht: mach das Ding aus, fertig. Sorry, kein Wunder, dass das Kind verzweifelt war – es war ja auch mit den Freunden verabredet. Mit „Fernsteuerung“ hat das in meinen Augen kaum etwas zu tun – viel mehr mit der Kompromisslosigkeit der Eltern. Altersfreigaben der Hersteller: sind mir, Mutter zweier Söhne (10 und 13) herzlich egal. Wollen die Kinds ein neues Spiel – spiele ich (oder mein Mann) erst das Spiel selbst, wenn das nicht möglich ist, werden Videos dazu angeschaut. Danach wird entschieden, ob unsere Kinder das Spiel spielen dürfen. Das gleiche betrifft auch die Filme und Serien. Kann ich jeder Familie so nur empfehlen – dadurch ist man auch als Elternteil im Bilde, was die Kinder so alles machen. Und ja, das erfordert Zeit, Motivation und Disziplin. Dafür spart man sich aber in der Zukunft den Therapeuten.
In-App-Käufe: hier kommt mir ebenfalls das, was die Frau Wolpers berichtet, sehr seltsam vor. Smartphones meiner Kinder sind von meinem Account „freigegeben“. Wollen diese etwas kaufen, bekomme ich eine Frage auf mein Gerät, ob sie das dürfen. Anderenfalls, spätestens bei dem Punkt „Bezahlen“ würde das unerlaubtes Kaufen scheitern: für den verknüpften PayPal-Account muss man nämlich auch ein Passwort eingeben. Wenn man auch hier versagt hat, Passwort sicher zu machen, so bekommt man spätestens in der nächsten Sekunde nach dem Kauf eine SMS aufs Smartpfone, dass ein Kauf von dem und dem Gerät für den und den Zweck und für so und so viel Geld getätigt wurde.
Verbringen meine Kinder am Smartphone mehr Zeit, als wir in der Kindheit mit dem Lesen? Nein.
Muss ich die manchmal wegzerren, „Mama, bitte, noch diese Runde“? Ja. Uns zerrte man auch vom Buch weg – ich lass dann mit der Taschenlampe unter der Decke weiter :-) Das ist normal.
Deswegen nie „jetzt sofort“, sondern „wie lange geht noch diese Runde? 7 Minuten? Ok. Im 10 min ist der Rechner aus“. Und in 10 Min ist der Rechner dann auch wirklich aus. Spätestens nachdem ich mal den Stecker einfach aus der Steckdose zog – und Spielfortschritt nicht gespeichert werden konnte.
Die Methode wirkt Wunder!
Und genau so wenig, wie das Lesen uns davon abhielt, „Echten Schweiß, echte Abenteuer, echte Umarmungen“ zu erleben, genau so wenig hindert daran auch ein Smartphone.
Meine Meinung. Nicht steinigen.