Wer durch die Bautzener Innenstadt geht, läuft durch verwinkelte Gassen, an schiefen Häusern vorbei, und überall gibt es zweisprachige Schilder. So als würde man die Menschen langsam darauf vorbereiten, dass 50 Kilometer entfernt Polen beginnt. Nur, was sich beim ersten Hinhören wie Polnisch anhört, ist Sorbisch, eine slawische Sprache, die von einer Minderheit in und um Bautzen gesprochen wird. Witajce k nam! Herzlich willkommen!
Sie wanderte vor über 1400 Jahren aus Böhmen und Schlesien ein, ihre Sprache behielt sie über die Jahrhunderte bei, ebenso ihre Folklore. In Südbrandenburg leben die Niedersorben, in Ostsachsen die Obersorben, ihre Hauptstadt ist Bautzen. Zusammen kommen beide Gruppen auf 60 000 Menschen.
Die Sorben redeten den russischen Soldaten die Rachegelüste aus
Die Sorben haben das nicht alles gebaut, aber sie haben ihren Anteil daran, dass es erhalten blieb. Dass Bautzen im Zweiten Weltkrieg nicht wie das nur 60 Kilometer westlich gelegene Dresden in Schutt und Asche gebombt wurde, habe auch daran gelegen, dass die russischen Kriegsgegner die Stadt mit dem slawischen Brudervolk verschonen wollten, erzählt Milena Vettraino. Demnach sind sorbische Mütter mit ihren Kindern den russischen Soldaten bei Kriegsende vor der Stadt entgegengekommen, um ihnen die Rachegelüste auszureden. Sie hatten Erfolg. Die Legende ist nicht verbürgt, aber die Sorben erzählen sie gerne.
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