NDR / 21.01.2016
Bundeswehr-Waffen auf dem Schwarzmarkt im Nordirak
Sturmgewehre und Pistolen aus Bundeswehrbeständen, von der Bundesregierung an die kurdische Autonomieregierung im Nordirak geliefert, werden inzwischen auf Waffenmärkten im Nordirak angeboten. Das ergaben
Recherchen von NDR und WDR in der kurdischen Autonomieregion. In den Städten Erbil und Suleymanniya fanden die Reporter mehrere Sturmgewehre des
Typs G3 und eine Pistole des
Typs P1 mit der eingravierten Abkürzung
"Bw" für Bundeswehr.
Offenbar, so die Recherchen,
verkaufen Peschmerga-Kämpfer ihre Dienstwaffen, weil sie wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage im Land seit Monaten
keinen Sold erhalten haben.
Sturmgewehre vom
Typ G3, Baujahr 1986, werden auf den Märkten zu einem Preis von
1450 bis
1800 US-Dollar angeboten. Die Pistole
P1 des deutschen Herstellers Walther lag im Schaufenster eines Waffengeschäftes in Suleymanniya aus - sie wurde für
1200 US-Dollar angeboten und war noch in
einem Karton mit deutscher Beschriftung
originalverpackt.
In
Berlin trafen die Reporter von NDR und WDR einen
ehemaligen Peschmerga, der noch bis vor kurzem
im Fronteinsatz gegen den
IS gekämpft hat und nun mit seiner Familie als
Asylbewerber in Deutschland lebt. Er berichtet, dass er
seine Dienstwaffe, eine
Kalaschnikow, verkauft habe, um
die Flucht nach Deutschland zu
finanzieren.
Angesichts fehlender Soldzahlungen, die
fünf Monate ausgeblieben waren, sah der Mann für sich und seine Familie keine Perspektive mehr im Nordirak. Er berichtet zudem, dass es viele Peschmerga gäbe, die Ähnliches planten oder bereits nach Deutschland geflohen seien. Offiziellen Stellen in der kurdischen Autonomieregierung ist das Problem
desertierter Peschmerga bekannt. Der Gouverneur der Provinz von Kirkuk, Nadjmeddin Karim, erklärte im Interview mit NDR und WDR, er verurteile desertierte Soldaten nicht.
Die kurdische Regierung sei mangels finanzieller Mittel nicht in der Lage, Staatsbedienstete, darunter auch die Peschmerga, regelmäßig zu
bezahlen.
Der Bundestagsabgeordnete und Waffenexperte Jan van Aken (Die Linke) fordert die Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) angesichts der Recherchen auf, weitere Waffenlieferungen sofort zu stoppen und den Sachverhalt aufzuklären:
"Ich will wissen, wie viele deutsche Waffen schon auf dem Schwarzmarkt gelandet sind."
2014 hatte die
Bundesregierung begonnen, kurdische Peschmerga im Nordirak u. a. mit
Sturmgewehren, Maschinengewehren und
Panzerabwehrraketen auszurüsten, um sie im Kampf gegen den selbsternannten
Islamischen Staat zu unterstützen. Zudem wurden Bundeswehrsoldaten in den Nordirak entsandt, um die Peschmerga zu trainieren.
Aktuell plant die Bundesregierung weitere Lieferungen von Waffen an die kurdischen Streitkräfte. Dabei räumte die Bundeswehr im vergangenen Jahr bereits ein, dass ihr
nicht bekannt ist, an
welche Einheiten die deutschen Waffen
ausgehändigt werden - eine
Endverbleibskontrolle scheint damit für die Bundesregierung
nicht möglich zu sein.
Das B
undesverteidigungsministerium erklärte auf Anfrage von NDR und WDR, die Regierung der Region
Kurdistan-Irak stehe in der
Verantwortung. Sie habe sich zu einer "korrekten Nachweisführung der übergebenen Waffen verpflichtet" sowie dazu, das gelieferte Material im Einklang mit dem Völkerrecht einzusetzen.
Eine Nachverfolgung einzelner Waffen durch deutsche Kräfte sei weder beabsichtigt noch möglich, so das Ministerium. "Ein Verkauf einzelner Waffen kann allerdings auch weiterhin nicht mit abschließender Sicherheit ausgeschlossen werden."
Dennoch nehme die Bundesregierung sämtliche Meldungen und Hinweise in diesem Zusammenhang auf, um sie umfassend zu prüfen.
Die Tagesthemen im Ersten zeigen zu dem Thema am Donnerstag, 21. Januar, um 22.15 einen Beitrag.
Autoren sind Volkmar Kabisch, Georg Heil und Amir Musawy.
21. Januar 2016 / IB
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