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Die Mär von der Nikotinsucht
Belluzzi JD et al: Acetaldehyde enhances acquisition of nicotine self-administration in adolescent rats. Neuropsychopharmacology 2004/doi:10.1038/sj.npp.1300586
Zigaretten haben ein hohes Suchtpotenzial. Während fast jeder Zweite, der das Rauchen ausprobiert, abhängig wird, scheitern gleichzeitig die meisten daran, das Rauchen wieder aufzugeben. Laut offizieller drogenpolitischer Darstellung ist das Nikotin für diesen Effekt verantwortlich. Bloß: In Tierversuchen macht das Alkaloid kaum abhängig. Erst mit speziellen Versuchsanordnungen können Ratten dazu verleitet werden, sich immer wieder mit Nikotin zu versorgen. Auch bei der Tabaksucht des Menschen scheint der Stoff keine wesentliche Rolle zu spielen, zumal sich die Entzugssymptome des Rauchers mit Nikotin-pflastern schlechter beseitigen lassen als mit nikotinfreiem Rauch.
Heute deutet alles darauf hin, dass nicht Nikotin zur Sucht führt, sondern der ebenfalls im Tabak enthaltene Acetaldehyd. Aldehyde können nämlich mit biogenen Aminen zu psychotropen Alkaloiden wie Salsolinol oder Morphium reagieren. Diese Alkaloide spielen offenbar auch bei der Wirkung anderer Genussmittel eine wichtige Rolle. Wenn beispielsweise eine Tafel Schokolade bis zu 2,5 Milligramm Salsolinol enthält (Journal of Ethnopharmacology 2000/73/S.153-159), dann ist das kein Zufall: Viele Genussmittel (Kakao, Kaffee, Tee, Tabak) wer-den bei ihrer Herstellung gründlich fermentiert und erhitzt, was die Bildung von biogenen Aminen und Aldehyden fördert. Beim Alkoholkonsum entsteht aus dem Ethanol letztlich ebenfalls Acetaldehyd, der die Metabolisierung der endogenen Amine (Dopamin, Serotonin, Adrenalin) bremst, welche dann zu Opiaten weiterreagieren. (Naturwissenschaften 1979/66/S.22-27; Molecular Pharmacology 2001/60/S.440-449; Neurotoxicology 2004/25/S.193-204)
Dass ein solcher Effekt auch bei der Tabaksucht nahe liegt, beweist eine Reihe von Tierversuchen. Wenn Ratten per Katheter regelmäßig eine Kombination aus Acetaldehyd und Nikotin verabreicht bekommen, so führt das bei juvenilen Tieren zur Abhängigkeit, während eine alleinige Nikotingabe wirkungslos ist. Offen bleiben muss allerdings, ob bereits im Rauch präformierte Alkaloide vorliegen, die mit Acetaldehyd zu suchterzeugenden Substanzen reagieren, oder ob dieser Prozess erst im Körper des Rauchers stattfindet.
Anmerkung: Wie Biochemiker aus Halle kürzlich nachgewiesen haben, wird Morphium auch von menschlichen Zellen gebildet. Damit widerlegten sie die Behauptung, Morphium wäre nur im Pflanzenreich verbreitet und die in Tieren gemessenen Gehalte stammten ausschließlich aus deren Nahrung. (Proceedings of the National Academy of Sciences USA 2004/101/ S.14091-14096)