Zitat von
Sauerländer
Sich da wirklich hineinzuversetzen, ist natürlich nicht leicht. Zu vieles muss man sich wegdenken, was einem selbstverständlich scheint, zu vieles als normal akzeptieren, was wir heute bestenfalls abenteuerlich fänden.
An Negativseiten lässt sich im Mittelalter (oder wann auch immer) ohne Zweifel EINIGES ausmachen.
Aber es gibt eben auch positive Seiten, die derart gravierend sind, dass sie uns heute kaum noch begreiflich scheinen.
Die Abwesenheit abstrakter Arbeit etwa, die die Menschen malochen lässt wie die Blöden, wenn es etwas Sinnvolles zu tun gibt (etwa in der Erntezeit), sie aber ebenso das konstruktive Nichtstun genießen lässt, wenn nichts anliegt - wer würde eine solche Existenz heute, wo wir nicht aufstehen, wenn sichtbar der Tag beginnt, sondern dann, wenn ein nerviges kleines Gerät ein piepsendes Geräusch von sich gibt, überhaupt für möglich halten?
Wer kann sich noch erinnern an die Zeit, als ein abstrakter Staat wie heute nicht existierte und der Machthaber als solcher konkret greifbar war?
Wer vermag noch nachzuvollziehen, wie es um die Mentalität einer Gesellschaft bestellt ist, in der Religion eine wesentliche Rolle spielt?
Wer ist noch in der Lage.... (endlos lange Liste) ?
Es ist als Gedankenarbeit wahrlich schwer, und wenn Achtung gegenüber einer Epoche irgendeinen Wert haben soll, muss man sich damit schon gründlich auseinandergesetzt haben.
Zudem finde ich nicht, dass jeder was anderes will. Eher habe ich den Eindruck, die Überzeugung "So gute Zustände haben noch nie bestanden" herrscht vor.
Und das geht mir gewaltig auf den Zeiger.