Zitat von
GSch
Es gibt zahlreiche Länder, in deren Verfassung Volksbefragungen und Volksentscheide nicht vorgesehen sind. Das alleine wäre sicherlich nicht das entscheidende Merkmal einer neuen Verfassung gewesen. Es ist auch nicht das allein bestimmende Merkmal einer Demokratie. Übrigens werden selbst in der Schweiz nur wenige Gesetzesinitiativen zur Volksabstimmung gestellt; nahezu alle Vorlagen werden im Parlament entschieden.
Ich kann mich an keine einzige ernst zu nehmende Stimme damals erinnern, die 1990 eine völlig neue Verfassung für das vereinte Deutschland wollte, von ein paar Intellektuellenzirkeln mal abgesehen. Der Wille der DDR-Bevölkerung in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit war doch völlig klar: ein Teil der Bundesrepublk werden, und zwar ganz schnell, mit DM und Grundgesetz. Die Parteien, die das unterstützten, bekamen ja auch den Löwenanteil der Stimmen bei der letzten Volkskammerwahl und bei der ersten Bundestagswahl.
Im Einigungsvertrag wurde ausdrücklich empfohlen, dass die politischen Institutionen nach Herstellung der Einheit über die Möglichkeit einer völlig neuen Verfassung beraten sollten. Dies geschah von 1991 bis 1993 in einer gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat. Es wurde aber kein Antrag mit dem Ziel der Abschaffung des Grundgesetzes nach Artikel 146 gestellt, auch nicht von Parteien oder Abgeordneten aus der ehemaligen DDR. Die Kommission empfahl daher eine Reihe von Änderungen am Grundgesetz, das im Prinzip beibehalten werden sollte.
Behauptungen, im Einigungsvertrag sei die Schaffung einer neuen gesamtdeutschen Verfassung und die Ersetzung des Grundgesetzes nach Artikel 146 vorgeschrieben gewesen und diese Bestimmung werde bis heute missachtet, sind schlicht falsch.