Israel Singer
Der Immerwiedergutmacher
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Es war ein
spektakulärer Beutezug durch das Europa des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts. Binnen gut fünf Jahren trotzte ein jüdischer Verein in New York dem alten Kontinent zwischen 10 und 20 Milliarden Dollar Restitutionsgeld ab. ...........
Ermächtigt sah sich Israel Singer von einem Dutzend Lobbyisten und Anwälten aus Israel und den USA. Ihr Durchbruch begann 1995 mit der Kampagne gegen die Schweiz. Hier ging es um jene Hand voll Bankkonti, die seit dem Zweiten Weltkrieg nachrichtenlos geblieben waren. Deren realistischer Gegenwert samt Zins und Zinseszinsen betrug rund 60 Millionen Dollar. Aber um die Realität ging es fünfzig Jahre nach Hitlers Selbstmord längst nicht mehr. In der Erschliessung dieser Bankkonten erkannten sie den Schlüssel zu einem Schatz, den sie auf mehrere Milliarden hochpokerten. Fixieren konnten sie ihn dank politischer und juristischer Assistenz der USA in einem historischen Vergleich mit den Schweizer Grossbanken 1998 auf 1,25 Milliarden Dollar. Ungefähr noch einmal so viel zahlten die Banken für diverse Kostenpunkte.
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Das nennen die Männer vom WJC «Wiedergutmachung». Was sie wiedergutzumachen behaupteten, war nicht weniger als alles am jüdischen Volk begangene Leid und alle Schäden, die Europa den Juden während des Zweiten Weltkriegs zugefügt hatte. Die Wiedergutmacher wussten sich in Vereinbarung mit der Regierung Israels. Ebenso genossen sie die Zustimmung von US-Präsident Bill Clinton und seiner Gattin, beider Parteien des US-Kongresses und seiner beiden Häuser.
Überall herrschte die Moral Economy, die Idee also, dass auch ethische Werte wie Schuld, Läuterung oder Reue letztlich handelbare Güter seien. Unter ihrem Motto galten Sammelklagen, Boykotte, Sanktionen und andere Waffen des Wirtschaftskrieges als legitime Mittel zum Erzielen grösstmöglicher Wirkung. Voraussetzung war nur, dass sie im Diskurs des universellen Moralins daherkamen.
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Einfach weil sie es konnten
Aber eigentlich lebte der WJC damals schon von seiner sagenumwobenen Vergangenheit. Sie ist eng mit Nachum Goldmann (1895–1982) verflochten, der 1936 den WJC in Genf gründete und damit die einzige zionistische Organisation schuf, die auf internationaler Ebene den Widerstand gegen die Nazis aufnahm.
1952 durfte er das bahnbrechende Luxemburger Abkommen zwischen Nachkriegsdeutschland, dem jüdischen Staat und der extra gegründeten, privatrechtlichen Jewish Claims Conference vermitteln: Die Bundesrepublik unter Kanzler Konrad Adenauer zahlte an Israel kollektive Wiedergutmachung für die Nazi-Verbrechen und beauftragte die Claims Conference mit der Auszahlung von individuellen Ansprüchen an jüdische Überlebende ausserhalb Israels. Damit trat Israel die Rechtsnachfolge der von den Nazis ermordeten Juden an und zementierte die Doktrin, die Nachkommen und Überlebenden in ihrer Gesamtheit zu vertreten. Auf alle Generationen. Eine Doktrin, die Israel bis heute gegen Kritik und Einmischung imprägniert und die auch dem WJC und seinem wechselnden Führungspersonal je nach Bedarf einen Part im Chor des Zionismus einräumte.
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«Einfach weil ich es konnte»! Nicht viel anderes dürften die Wiedergutmacher Singer und Co. sagen, wenn sie je ihr Tun zu rechtfertigen hätten.
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Im Zentrum der eifrigen inneren Querelen des WJC stand jetzt auch weiterhin einer: Israel Singer. Vorläufiger Höhepunkt in der an Kabalen reichen Geschichte:
die Untersuchung des New Yorker Generalstaatsanwalts Eliot Spitzer, der auch die Aufsicht über die Stiftungen hat. Sie war Ende 2004 unvermeidlich, als der Hauskrach vor den Lesern der New York Times – von den jüdischen Blättern New Yorks und Israels ganz zu schweigen – nicht länger verborgen gehalten werden konnte. Es waren Büroangestellte des WJC selbst, die im Sommer desselben Jahres eine für sie nicht nachvollziehbare Transaktion von 1,2 Millionen Dollar über ein Genfer Konto ruchbar gemacht hatten. Ausführende Bank war die UBS, Singers liebste Zielscheibe in den Zeiten des März 1998, als
Bronfman und er der Schweiz den «totalen Krieg» androhten.
Veranlasst hatte der New Yorker Rabbi die fragwürdige Millionenzahlung persönlich. Und das begünstigte Konto lautete auf einen bewährten Mitstreiter aus den heissen Tagen des Feldzuges gegen den Schweizer Finanzplatz: Zvi Barak, ein Geschäftsmann und Funktionär der Jewish Agency, gegen den in Israel mittlerweile ebenfalls Untersuchungen im Zusammenhang mit fragwürdigen Wiedergutmachungsgeschäften hängig sind. Damit nicht genug: Jetzt gerät Singer und sein familiäres Umfeld auch in Israel ins Zwielicht. Ein Gerichtsverfahren belastet die Vorstandsmitglieder einer WJC-nahen Stiftung, darunter sein Sohn Eli Singer. Dabei geht es ebenfalls um die Verwendung von gemeinnützigem Geld.
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Die Schuld-und-Sühne-Party
Was ist mit dem siegreichen Helden geschehen, dessen untadelig vorgetragenes Judentum unter dem schräg aufgesetzten Käppi die Schweizer Finanzwelt für immer daran erinnern wird, dass es nicht krimineller Energien bedarf, um ihren hochgesicherten Grossbanken insgesamt mehr als zwei Milliarden Dollar abzuknöpfen? Es reichen «a few guys and a fax machine», wie es in New York heisst. Aufstieg oder Niedergang – was geschah mit dem unaufhaltsamen Israel Singer?
Es beginnt mit einer Siegesfeier in der Hauptstadt der Welt. Ausgerechnet am 11. September 2000, der in diesem Jahr noch nicht 9/11 hiess. Die versammelte Bronfman-Dynastie bittet die erstrangigen Alliierten zur Tafelrunde ins New Yorker Nobel-Hotel «Pierre».
Alle kommen sie, die «Partners in History», wie es auf der Einladung heisst. Vom deutschen Aussenminister über die Schweizer Bankiers, die israelischen Minister, überhaupt was sich Rang und Namen erworben hat in der glorreichen Wiedergutmachungsbewegung der neunziger Jahre, bis hin zum amerikanischen Präsidenten und zu seiner Gattin Hillary. Sie alle feiern sich im Sinne ihres moralischen Wirtschaftens entweder als Sühne leistende Schuldner im Namen der Täter oder als nach Sühne strebende Gläubiger im Namen der Opfer. Zusammen haben sie die Erbschuld aus den finstersten Zeiten Europas verrechnet und uns die Last der Vergangenheit von den Schultern geworfen. Dollar um Dollar...
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Alle überschüssigen Gelder aus der erstrittenen Wiedergutmachung sollten einer neuen «Stiftung für das jüdische Volk» zufliessen.
Denn dass es aus den diversen moralisch hochgepokerten Vergleichen und Abkommen Unsummen an überflüssigem Wiedergutmachungsgeld geben würde, das war inzwischen hinlänglich bekannt. Was zwar als Teil der Lösung erschien, begann nun auch ein «Problem» und zum Skandal zu werden. Doch das ist eine andere Geschichte, die darauf wartet, erzählt zu werden.
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Natürlich weiss man dort, dass seitens des WJC oder des Staates Israel keine realen Rechtsansprüche auf diese in absehbarer Zukunft übrigbleibenden Gelder bestehen.
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Draussen vor dem Nobel-Hotel «Pierre» demonstrieren einige verbitterte Holocaust-Überlebende gegen den arroganten Vorschlag von Madison Avenue 501.
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Erst im August 2003 fand Isi Leibler Gelegenheit zum Angriff auf das Führungsduo Bronfman/Singer: Bronfman hatte Präsident Bush einen Brief geschrieben, in dem er ihn indirekt bat, den israelischen Premier Scharon zum Abbruch der Grenzmauer zu bewegen, die Israel und die Palästinenser trennen sollte, und zur Aufgabe weiterer Siedlungstätigkeiten in den von Israel besetzten Palästinensergebieten.
Bronfman, der in besonders dialogischen Momenten auch schon mal angetönt hatte, dass palästinensische Terrorangriffe auf Siedlungen «irgendwie verständlich» waren, wollte damit den internationalen Friedensplan «Road Map» voranbringen. In der Jerusalem Post forderte Isi Leibler Präsident Bronfman mit einem offenen Brief zum Rücktritt auf: «Wir haben genügend Feinde, auch ohne dass eine Person mit dem Titel eines Präsidenten des WJC die Sicherheitsinteressen des Staates Israel untergräbt.» In einem E-Mail nannte Edgar Bronfman Sr. seinen Kontrahenten daraufhin ein «Stinktier», die Auseinandersetzung mit ihm einen «pissing match», und er sprach Leiblers Frau sein Mitleid aus, dass sie mit einer solchen Person ihr Leben teilen müsse.
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Wer allerdings mehr Findungen will als die, die im Schreiben des Staatsanwaltes aufgeführt sind, ist auf den zivilrechtlichen Weg verwiesen. Denn von Staates wegen wird Singer für seine Gesetzesverstösse nicht angeklagt, sofern er und die Madison Avenue 501 die strengen Auflagen des Vergleichs mit dem Staatsanwalt einhalten.
Jetzt betreibt der Medienstar unter den Wiedergutmachern also seine eigene Wiedergutmachung. Er verweigert den Schreibenden jedes Gespräch. Auf Kosten des WJC drohte er mit teuren Anwälten, die beim Zürcher Bezirksgericht vorsorgliche Massnahmen beantragten, und mit Klagen. Ansonsten sammelt er in seiner neu gewonnenen Freizeit, mehr und mehr bar jeder administrativen Verantwortung, weitere Ehrenpfründen. Dem ist kein Kraut gewachsen.
Schliesslich kann kein Volk sich dagegen wehren, dass sich jemand anmasst, es ungewählt zu vertreten, erst recht nicht, wenn diesem Stellvertreter reichlich Mittel zur Verfügung stehen.
Solange Bankiers, Politiker, Diplomaten und andere Eminenzen unbedingt den einen Juden brauchen, der für sein ganzes Volk posiert, so lange werden sie in Israel Singer den bestmöglichen Repräsentanten finden. Ihn kann jederzeit buchen, wer der vernichteten Juden gedenken und die Zukunft ihrer Nachkommen beschwören will. Der Streit und alle Verfahren enden damit, dass dem Wiedergutmacher jede Verantwortung abgenommen wird. Israel Singer ist für Höheres geschaffen und daher von allen Pflichten zu entlasten.....................