In Israel gibt es ein Sprichwort: "Erst hast du gemordet, dann willst du auch noch das Erbe kassieren." Selten trifft es den Nagel so wunderbar auf den Kopf wie in diesem Fall: Rainer Höß, der Enkel des Kommandanten des Vernichtungslagers Auschwitz Rudolf Ferdinand Höß, hat der zentralen Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust in Israel, Jad Vaschem, ein Angebot gemacht: Er möchte ihnen den Nachlass seines Großvaters, nein, nicht schenken. Verkaufen.
Vor kurzem erreichte die Poststelle des Museums eine E-Mail. Betreff: "Seltene Gegenstände, Auschwitz, Kommandant Höß". Darin schreibt er: "Es handelt sich um einige Gegenstände aus dem Nachlass von Rudolf Ferdinand Höß, den Kommandanten von Auschwitz: eine feuerfeste Kiste mit offiziellen Symbolen - ein Geschenk von Himmler (der SS-Reichsführer), Gewicht 50 kg; ein Brieföffner; unveröffentlichte Dias aus Auschwitz; Bilder aus der Gefangenschaft in Krakau. Ich wäre Ihnen für eine kurze Antwort dankbar. Mit freundlichen Grüßen, Rainer Höß."
In Jad Vaschem hielt man das Angebot erst für einen schlechten Witz. Aber schnell war klar: Höß meint es ernst. "Die Frage, die wir uns gestellt haben, ist offensichtlich", sagt ein Sprecher der Gedenkstätte. "Will da jemand aus den Verbrechen seiner Familie Kapital schlagen?" Die Leitung schickte Höß also eine höfliche Mail, in dem sie ihm ihre Bestürzung mitteilte. Es sei ausgeschlossen, dass sie für den Nachlass jenes Mannes, der nicht nur für den Bau des Lagers, sondern auch für die Vernichtung von 430.000 ungarischen Juden innerhalb von 56 Tagen verantwortlich sei, auch noch zahlten. Daher müssten sie das Angebot entschieden ablehnen. Aber: Es stünde Herrn Höß frei, die Gegenstände zu spenden.